Ich will nicht nur eine Nutzpflanze sein

 

Da fragte mich neulich Eine, die im Gegensatz zu mir zwei grüne Daumen hat: „Wenn du in meinem Garten stündest, welche Pflanze würdest du sein wollen?“

 

Ich machte mich ein bisschen lustig über die Frage. Ich weiß nicht, ob andere Menschen sich mit solchen hypothetischen Fragen beschäftigen, aber ich hatte noch nie darüber nachgedacht. War trotzdem eine nette Übung, wenn ich auch nicht wirklich zu einem Schluss kam. Nur eins stand fest am Ende meines Nachdenkens: Ich möchte nicht nur eine Nutzpflanze sein. Früchte tragen in allen Ehren, aber ich möchte auch noch herrlich duften und farbenfroh blühen. Irgendwie schön sein, nicht nur von Nutzen.

Nun bin ich beileibe kein Biologe, Outdoor-Freak oder sonst einer, der sein Glück in der Natur findet. Und doch bleibt selbst mir manchmal die Spucke weg, wenn ich nur noch schnell in der Abendsonne um den Block laufen will und dabei über so viel überschwängliche Schönheit stolpere, dass ich kaum vom Fleck komme. Und ich springe von Blatt zu Grashalm, von Ast zu Käfer und staune und denke: Wow, wenn ich nicht vorbeigekommen wäre, wer würde euch dann bewundern?

 

Tja, Gott ist um einiges mutiger als ich. (Nicht, dass ich das nicht schon immer geahnt hätte.) Er nimmt es sich noch immer heraus, Dinge zu schaffen, einfach um der Schönheit willen. Wie meinen Zierkirschen-Baum im Garten. Der hat nur einen kurzen, gänzlich atemberaubenden Schönheits-Auftritt, an dem er federleichte Blütenblätter auf mich schneien lässt und mich überzeugt, dass es keinen schöneren Kontrast gibt als rosarote Kirschblüten gegen den wolkenlos blauen Himmel. Mir will das fast eine Verschwendung göttlich-kostbaren Minuten scheinen. Eigentlich gibt es doch wahrlich Wichtigeres. Wie den Weltfrieden zum Beispiel.

 

Hat Gott tatsächlich nichts Besseres zu tun, als die Wiesen zu schmücken mit glücklichen Gänseblümchen, die in den Himmel lachen? Wer braucht schon Gänseblümchen? Findet er nichts Sinnvolleres mit seiner Zeit anzufangen, als einen Regenbogen in die Wolken zu zaubern, nur um an ein altes Versprechen zu erinnern und damit wir einander anstupsen und in den Himmel deuten mit einem: Hey, guck mal! Nein, anscheinend nicht. Genauso so ist die Welt geschaffen und er war mit allen Ideen durchaus zufrieden.

 

Vielleicht braucht es in der Tat diesen verrückt-göttlichen Mut, in dieser Welt der Schönheit Platz zu machen. Das Dunkle, Gewalttätige und die blinden Ecken nicht schönzureden, aber ihnen auch nicht alles Augenmerk zu schenken. Ein Gegenteil zu sein, zu erlauben, zu schaffen. Etwas zum Staunen, zum Aufatmen. Wie glückliche Gänseblümchen eben.

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