Krippenplatz

 

Mannomann, es war tatsächlich nicht so einfach wie erwartet einen Krippenplatz für meine Kleine zu finden. Klar hat jedes Kind Anrecht auf einen Platz irgendwo, aber wenn’s nix gibt, gibts auch nix zu vergeben, wurde mir gesagt.
Und so stolperte ich schon fast in einen panischen Vater-Joseph-Moment, vergebliches Klopfen an so viele Türen und überall gibts die gleiche Standard-Antwort: Sorry, leider übervoll belegt!
Und die Antwort wird entweder mit einem mitleidig geneigten Gesicht oder ein genervten Augenrollen serviert, weil wir mit unserer Anfrage nicht die Ersten sind.

Gott sei Dank sind wir ja doch alle noch fündig geworden.  Ich fand eine Krippe für meinen kleinen Schatz und Joseph eine für den Gottessohn.

 

Doch irgendwie kam ich dieser adventlichen Tage nochmal echt ins Grübeln darüber.
Vater und Mutter ticken ja wahrscheinlich letztendlich doch nicht so sehr unterschiedlich – man will schlichtweg einfach das Allerbeste für den eigenen Sprössling. Nichts liegt dem Eltern-Herz mehr obenauf als das Wohl des eigenen Kindes.
Und ich frage mich, was wohl den Gott-Vater bei seiner Krippenplatz-Auswahl so bewegte. Denn scheinbar standen da recht andere Auswahl-Kriterien auf unserer beiden Wunsch-Listen.

Ich will beim Erstbesuch sicher gehen, dass mein Kind in der Krippe rundum gut versorgt ist. Stabile Beziehungen. Ausgewogene Ernährung. Und werden die Zähne nach den Mahlzeiten auch nochmals nachgeputzt?
Er hingegen wird hastig in eine halbwegs saubere Windel gewickelt, bevor die atemlosen Fremden aus dem schwarzen Dunkel hereinstürmen und die dahergelaufenen Lämmer ihn beschnuppern. Über die hygienischen Umstände will man nicht zuviel wissen. Denkt Mutter Maria sehnsüchtig an das behütete Elternhaus in Nazareths und den Trost der erfahrenen Mutter?

Statt meinem Kuschel-Bereich und nach sauber riechendem Mittagsschlaf-Bettchen gibt es für den Sohn des Allerhöchsten einen stinkenden Futtertrog mit von Tieren verdrecktem Heu.
Und wir besingen mit warmen Weihnachtsgefühlen das holde Neugeborene – als wäre es der Traum jeder Mutter gewesen hier am schmutzigen Stall-Boden zwischen Ochs und Esel zu gebären!? Meiner und Marias wars mit Sicherheit nicht.

 

Ach ja und Sicherheit war übrigens auch ganz oben auf meiner Tick-Liste. Ist ja durchaus menschlich, sich ein sicheres Umfeld für so ein kleines, noch schutzbedürftiges Wesen zu wünschen. Gott hingegen setzt seinen Sohn dort aus, wo vollbewaffnete Soldaten auf hilflose Babys mit gezücktes Schwert zustürmen, das Böse im Finstern lacht und Gottes einziger Sohn nur knapp mit den Leben davonkommt.
Ich, bei der liebevoller Umgang und Wertschätzung für mein Kind oberste Priorität haben bei der Krippen-Auswahl, stehe fassungslos dem Vater gegenüber, der zulässt dass die Ohren seines winzigen Sohnes gellen von den Todesschreien seiner Altergenossen. Alle zukünftigen Spielgefährten dem Kindermord zum Opfer gefallen. Und er selbst flüchtend, im zitternden Arm einer Mutter mit Todesangst in dem Augen.

 

Vater Gott, er hätte im Gegensatz zu meinen begrenzten Optionen freie Auswahl der besten Locations, goldenen Zeitalter und  glücklichen Umstände gehabt. Ihm hätten alle Möglichkeiten zur reibungslos-behüteten Ankunft seines Sohnes offen gestanden.
Stand diese armselige, menschenunwürdige heilige Nacht tatsächlich auf Gottes Wunschliste!?

Es ist wieder einmal einer dieser Momente, in denen ich feststelle: Gott tickt anders. Nein, es war wahrhaft nicht ideal, idyllisch oder kinderfreundlich und ja, wahrscheinlich  riss es das Vaterherz in tausend Fetzen den innig-geliebten Sohn in diese verschmutze Krippe zu legen – und doch wollte er es genauso. Denn dieser Ort war perfekt.

O nein, nicht zum Wohl seinen gesandten Sohnes – doch perfekt um den vielen verlorenen Kinder den Retter genau dorthin zu bringen, wo sie im Dunkeln und im Land der Todeschatten sitzen. Da wo sie hungrig sind und dürsten nach einem Friedefürsten. sich nach einem wahren Helden sehnen.
Vielleicht hauste bis dahin ein unerfüllte Kinderwunsch in Gottes sehnsüchtigem Herzen. Und so nimmt er den himmlischen Glanz- und Gloria-Sohn, an dem er nichts als Wohlgefallen hat und gibt ihn hin für verdreckte Menschenkinder, die auf Sündenbergen ihre Existenz fristen und die er genauso zum Teil seiner Familie machen will. Dieser göttliche Sohn, er soll ihr Bruder werden,  Grossfamilie statt Einzelkind-Dasein, Zuhause zu dem alle gehören, der Himmel als gemeinsames Heimat.


Noch verstehen die Dunkel-Kinder nichts vom Licht. Doch in der Dämmerung der Heiligen Nacht keimt Hoffnung auf. Er ist gekommen. Hier, um zu bleiben. Messias. Immanuel. Gott mitten unter uns.

Gott sei Dank, dass du anders tickst als ich. Du hast deinen Sohn in die wahrlich richtige Krippe gebetet.

Und ich? Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesus, du mein Leben.

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