Ich bin eine glückliche Frau. Ja, du hast tatsächlich richtig gehört, und ich werde das jetzt mal lautstark in die Welt hinausposaunen. Eigentlich traut man sich das ja manchmal kaum zu
flüstern, denn in unserer Jammer-Gesellschaft ist es nicht mehr salonfähig zu sagen: ich fühl mich eigentlich pudelwohl, mit Segen überschüttet und vom Glück verfolgt.
Für viele ist ja eine glückliche Frau schon mal ein Gegensatz, weil glücklich und Frau in vielen Ländern nicht zusammen geht.
Ich stattdessen kam unter denkbar günstigen Verhältnissen in diese Welt. Dem Himmel wurde gedankt für mein Leben. Mein Vater schrie: Hurra – noch ein Mädchen! Ich wurde in den Schlaf
gesungen und mein Bett schaukelte schwer von all dem Guten das mir in die Wiege gelegt worden war. Ich wurde gehegt und gepflegt. Jeder Wunsch wurde mir von den Augen abgelesen und
schützende Grenzen um mein kleines Leben gebaut.
Seit Kinderstube und heimischem Nest weiß ich, wie Heimat sich anfühlt und Zuhause sein und Dazu-gehören. Das Wort Krieg kannte ich nur aus Auseinandersetzungen mit meiner Schwester im
Kinderzimmer. Ansonsten lebte ich in ahnungslosem Frieden.
Und Dank aller die über mir wachten, blieb ich bis auf kleinere Narben behütet und unversehrt in jeglicher Hinsicht.
Meine Eltern waren ein Herz und eine Seele. Sie hatten Zeit. Opa auch. Und die Erinnerungen sind wie ein abgegriffenes kostbares Familienalbum, in dem meine Gedanken oft noch gerne heute
blättern.
Inzwischen bin ich erwachsen, so steht es zumindest auf dem Papier.
Und ja, ich habe aus eigener Erfahrung gelernt: das Leben ist kein Pony-Hof und doch kann ich nicht anders als immer wieder vom Glück erstaunt in den Himmel zu blicken.
Hier stehe ich und gehe ich frei und unangetastet meiner Wege, ohne Furcht. Kann tanzen und singen wann ich will. Muss mich nicht in dunklen Ecken bergen oder angstvoll bangen, dass meine
Füße von Mienen zerfetzt werden oder die Wolken plötzlich Bomben regnen.
Unbehelligt kann ich meine Meinung in Worte fassen und darf verneinen, was mir gegen den Strich geht. Ich darf wählen, bis mich die Qual der Wahl zum Wahnsinn treibt: wem ich glaube, wen
ich liebe, mit wem ich teile, welche Teebeutel und Politiker mir die liebsten sind und womit ich meine Brötchen verdiene. Unzählige Freiheiten kann ich gegeneinander abwägen. Jeden Tag.
Heute Nacht werde ich in einem Bett schlafen. Und ein regendichtes Dach über dem Kopf haben.
Aus meinem Wasserhahn läuft sauberes Wasser. Ich besitze eine Zahnbürste und noch eine im Schrank. Meine Kleiderstange biegt sich ächzend unter ihrer Last und mein ästhetisches Auge ist
der einzige Richter über dem, was ich heute aus dem Schrank hole.
Ich durfte mich ohne Angst glücklich verlieben. Mein Mann ist noch immer mein größter Fan. Ein sanfter Superhero.
Ich habe ich eine beste Freundin. Und so Viele, die mir gut tun und Gutes tun.
Meine Arbeit ist kein sinnloser Job sondern eine erfüllende Berufung. Mein Bankkonto zeigt ein Plus und ich habe noch eins zum Sparen.
Ich muss nicht arbeiten bis ich umfalle. Ich habe Zeit zum Spielen. Mit meinen Kindern. Und für mein Vergnügen.
Überhaupt die Kinder. Meine zwei Wunderkinder. Nichts lässt mir die Brust so schwellen vor Stolz und mich manchmal vor Liebe fast platzen. Zwei bildschöne Töchter, die ich lebenstüchtig
machen darf mit allem was mir wichtig ist.
Heute war ich bei Aldi einkaufen und schleppte keuchend schwere Einkaufstaschen. Ich koche leidenschaftlich was uns schmeckt, nicht was der Hunger in den Mund steckt. Wir haben ein Haus
mit einem Tisch groß genug für uns und alle Gäste. Mit einem gemieteten Garten vor der Tür und einem Kiefernwald um die Ecke.
Brauche ich schnell Hilfe, so stehen – tatütata – Freund und Helfer im nullkommanichts zur Stelle. Um zu helfen und nicht um meine Schwäche auszunutzen.
Wenn mein Körper irgendwo schmerzt, plagen mich wenigstens nicht auch noch Kopfschmerzen wie ich die Arztrechnung bezahlen soll. Und obendrein ist unser Apotheker nett, seine Regale gut
bestückt und es gibt noch Taschentücher für Rotznasen gratis dazu.
Und so blase ich erwartungsfroh Jahr für Jahr mit Vorfreude in meine Geburtstagskerzen und spaziere in meine Zukunft.
Ich glaube an einem Gott der mich tatsächlich mag. Der mich hoffen und träumen läßt und verspricht, dass beides keine Luxusware ist. Der mir die Ewigkeit schenkt und jeden Tag 24 Stunden
funkelnagelneue Gnade. Den ich laut und fröhlich feiern darf wie und wann ich will.
Und bei all diesem Glück sollte ich mich nicht glücklich schätzen und
vor Lebensfreude tanzen!? Bewahre!
Was ich genieße ist ein Geschenk, das keinesfalls allen einfach in den Schoß fällt. Und wenn graue Tage im Kalender stehen, an denen mein Herz unter Dankbarkeits-Demenz oder
Unzufriedenheiten-Koller leidet, dann will ich meine Glücks-Listen wieder hervorholen und solange jedes Quäntchen unverdienten Segens unter die Lupe nehmen, bis mein Herz sich wieder
erholt und sich an all das unendlich Gute erinnert.
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